Mittwoch, 22. September 2010

Freier Wille und Zazen

Folgender Artikel des Stern, der schon etwas her ist, hat mich wieder auf das Thema gebracht:

Hirnforschung, Freier Wille - eine Illusion?

Hatte ich doch zuletzt eine kleine Diskussion, mit jemandem der am Buddhismus interessiert war, genau über diesen Punkt. Den Aussagen Buddhas wollte er wirklich nicht glauben - aber unserer Naturwissenschaft sollte er doch glauben, oder?

Ich kann das Thema Freier Wille und Buddhismus nicht in diesem Rahmen auch nur annähernd vollständig ansprechen. Aber ich versuche Teilaspekte heraus zu nehmen und Dir Leser "schmackhaft" zu machen, es sollte Dich zum Nachdenken anregen ...

Vielleicht vorab das grösste Problem das Menschen mit diesem Thema haben: GLAUBEN!!!
Menschen glauben (sehr egozentrisch) an ihren Freien Willen, obwohl das natürlich letztendlich völlig unbewiesen ist und ja gerade die Naturwissenschaft selbst, dies in den letzten Jahren erschüttert hat. Aber Menschen brauchen nun mal auch ca. 50 Jahre, bis sie die Erkenntnisse der Wissenschaft auch im Alltag berücksichtigen.
Buddhisten sollten sich hüten dieses Thema bei Menschen an zu sprechen, die daran glauben wollen und sich daran klammern. Wenn man deren Glauben erschüttert, erntet man Feindschaft und Intoleranz. Also sollte wir Buddhisten in diesem Thema nicht missionieren, sondern die Folgen einfach vor leben.

Buddhisten sollten erkennen:
Warum will ich als Mensch (einer unter Milliarden) bestimmen WER die Welt erschaffen hat, WER mich erschaffen hat und, dass ich unbedingt einen Freien Willen haben möchte? Das alles ist doch nur das ausufernde Resultat unseres übertriebenen Egos!!
Wir müssen es einfach hinnehmen wie es ist: entweder haben wir "von Natur aus" einen freien Willen bekommen oder aber nicht! Dagegen "an-zu-kämpfen" zeugt doch nur von Illusionen und Ignoranz. Also wir Buddhisten, zumindest jene welche sich noch nach Buddha richten, nehmen es als Geschenk an, so wie es ist.

Wie können wir das als Buddhisten überprüfen? Mit Einsichtsmeditation! Nicht nur im Zazen, sondern auch schon bei Buddha gab es die Anleitung die eigenen Gedanken zu beobachten. In Südostasien gibt es Meditationskonzepte, wie man in jeder Sekunde 10 mal und mehr die Entwicklung der eigenen Gedanken registrieren kann.
Und für eine Zennisten gibt es ja nichts anderes als Zazen: beobachte passiv Deine Gedanken. Es gibt ja so viele Zennis, die täglich, wöchentlich Zazen betreiben, die jedes Jahr mehrere Seshins mitmachen ... keiner davon konnte mir bis heute sagen, wo seine Gedanken denn her kommen und wo sie hingehen! Was beobachten die da eigentlich im Zazen??
Wer sich Buddhist nennt und diesen Punkt nicht schnell bei sich selbst erkennt, der hat keine Ahnung worum es beim Buddhismus wirklich geht. Diese Erkenntnis hat auch dramatische Auswirkungen auf Dein Leben: wenn Du das einmal selbst bei Dir beobachtet und erfahren hast (nicht darüber lesen oder davon hören!) wirst Du nicht mehr so weiter leben können, wie bisher!
Wenn ich als Buddhist das selbst einmal erkannt habe, werde ich meinen "grössten Feind" und den "nächsten Massenmörder" völlig anders sehen können und dann fällt es mir als Buddhist auf einmal einfach zwischen dem Menschen und seinen Taten zu trennen, denn ich kenne nun die Hintergründe ...
Dieses Dein Schubladendenken und Dein Beurteilen von Menschen nach ihren Taten, wird alles zusammen brechen.
Wie steht es nun mit Recht und Gesetz, wie mit Strafen und Verurteilung, wie mit der eigenen Verantwortung für eigene Taten, wie mit der Todesstrafe oder unserem Rechtssystem im Westen?

Woher bekommt ein (zukünftiger) Mörder die Idee / den Gedanken jemanden töten zu müssen? Diese kommt eben nicht von ihm, was jeder der Zazen betreibt, wissen sollte.
Ja, dann ist ja der Mörder selbst "unschuldig" (wird mit dem Mord kein negatives Karma aufbauen!) wenn er es dann tut? Genau das sollten die Fragen für uns Buddhisten sein! Im Zazen lernen wir uns eben nicht mit den Gedanken zu identifizieren und warum sollen Buddhisten achtsamleben? Um eben auch im Alltag rechtzeitig zu erkennen, dass Gedanken eben nicht "unsere" Gedanken sind und, dass wir nicht zur Vermehrung von Leid affektiv und unreflektiert unsere Gedanken in Taten umsetzen.
Ja, es gibt Menschen, die das nicht können und nie gelernt haben ...
ja diese Menschen ernten damit auch kein negatives Karma für vermeintlich schlechte Taten!

Zazen führt Dich nie zu so irgendetwas wie "Erleuchtung", aber wenn Du Zazen richtig betreibst, wirst Du ein unheimlich grosses Wissen über die Gedanken in Dir erwerben. Das ist genau der Ausgangspunkt Dich selbst, Deinen Alltag und "die Welt" zu ändern.

Dann gibt es bekannte Zennis, die angeblich schon 10 oder 20 Jahre Zazen betreiben und sich auf einmal tatkräftig beschweren (z.B. Bücher schreiben oder Vorträge halten) nichts erkannt zu haben und sogar unterstellen, es gäbe nichts zu erkennen.
Ich weiss nicht, was die jahrzehnte gemacht haben, aber bestimmt kein Zazen und noch nicht einmal Einsichtsmeditation nach Buddha. So jemand müsste doch jetzt grosse Bücher füllen könne, über ihre Gedanken und die Gedanken von Menschen - wo sind diese Bücher?

Ja in einem Forum wurde zuletzt mal wieder die Frage gestellt, was ist wichtig am / beim Buddhismus. Die Antworten waren natürlich wieder: Erleuchtung, Meditation, Wiedergeburt, Nirvana - von den Antwortern hat keiner jemals im Buddhismus irgendetwas erkannt. Es werden nur Themen aus Büchern und worüber man gelesen hat, wieder gegeben. Die eigene Erkenntnis fehlt diesen völlig.
Buddhismus hat etwas mit "Gedankenhygiene" zu tun - wo keine schlechten Gedanken sind, gibt es auch keine schlechten Taten. Und wo schlechte Gedanken noch sind, braucht man als Buddhist diesen keinen Nährboden zu geben. Ja genau so wirst Du im Zazen dann Deine Gedankenflut reduzieren und auch dort Deinen Fortschritt erkennen.

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