Sonntag, 19. September 2010

Sokrates + Zen, die Henne oder das Ei ?

Sokrates war so etwas 400-500 Jahre vor unserer Zeitrechnung geboren und Buddha ebenfalls. Ob Einer vom Anderen wusste? Hat vielleicht Sokrates schon aus dem Osten erste Infos von Buddhas Ansichten erhalten oder lebte Sokrates etwas früher und konnte nichts von Buddhismus übernehmen und kam selbständig zu ähnlichen Themen? Vielleicht gibt es ja mal einen Experten, der mich dazu einmal exakter informieren könnte?

Ja nun zum Anlass für dieses Thema: bin ich doch auf das Sokratische Gespräch gestossen und auf den Pädagogen und Philosophen Leonard Nelson.

Die Herausgeber des Büchleins "Das sokratische Gespräch" (2002) schreiben dort im Vorwort:
"dass es nämlich darauf ankommt, den Dialogpartner die Wahrheit selbst finden zu lassen, dass die Wahrheit jedem verständigen und gutwilligen Menschen gleichermaßen zugänglich ist ...weil die Wahrheit vielfach hinter dem Schleier der Konventionen, des Vorurteils und der Illusion verborgen ist".
Erstaunlicher Weise könnte das ganze Zitat aus der Dharma-Rede eines Zen-Meisters stammen.Im Zen geht es nämlich GENAU darum, dass der Schüler selbst und in eigener Erfahrung die Wahrheit finden muss, dazu helfen ihm weder Bücher, noch Worte von Menschen - er muss es direkt erfahren können.
Wie ist mit den Provokationen von ZEN-Meistern, dass man Bücher verbrennen soll, dass man auf Fragen schweigen soll, dass die Wahrheit nicht in Schriften oder Worten zu finden ist? Warum hat denn gerade Buddha seine Lehre nicht nieder geschrieben? Er hat selbst erklärt, dass das keinen Sinn macht. Nur diletantische Nachfolger von Buddha, wie z.B. Dogen sind dem Wahn verfallen unbedingt eine eigenen Lehre niederschreiben zu müssen.
Nicht nur Sokrates damals, sondern auch ein ZEN-Meister heute will den Suchenden selbst die Antwort finden lassen und sie eben nicht vorgeben.
Und was sind die Hindernisse zur Wahrheit im Buddhismus? Ja natürlich: Konventionen, Vorurteile und Illusionen ...
Von Leonard Nelson kommt dann:
"daß die schriftliche Aufzeichnung des entwickelnden Lehrgesprächs an der Grenze des Widersinns steht ... Sinnvoll ist eine solche Aufzeichnung daher nur für den, dem sie das Erinnerungsbild seiner eigenen geistigen Arbeit ist. Für alle anderen wird sie zum Hemmnis ihrer Einsicht - verführt zu der einfältigen Meinung ... "etwas Deutliches und Sicheres durch die Buchstaben kommen könne".
Das erinnert mich wieder sehr an viele Zen-Meister. Die Wahrheit steckt eben nicht in den Worten, sondern nur in der eigenen lebendigen Erfahrung. Selbst wer diese Erfahrung in Worte fassen will, wird dann viele Worte ohne (lebendige) Wahrheit haben. Die Leser dieser vielen Worte, werden diese lebendige Wahrheit nicht mehr erkennen und fassen können - sie müssten sich schon selbst auf ihren Weg machen ...

Leonard Nelson schreibt dann:
"Sokrates ... hat wieder und wieder sein Nicht-Wissen zugestanden. Er ist jeder Behauptung entgegen getreten mit der Aufforderung, den Grund ihrer Wahrheit zu suchen."
Ja, dieses "Nicht-Wissen" woher kennen wir das aus dem ZEN? Ja, Zen-Meister Roshi Bernie Glasmann handelt auch im "Nichtwissen". Einerseits sagt er, dass man eigentlich immer zu wenig weiss, sich aber deswegen nicht vor dem notwendigen Handeln drücken sollte und andererseits ist zu viel Vorwissen nicht gut, weil es befangen macht, weil es schon konditioniert, weil wir damit schon wieder neue Schubladen für unsere Denken geschaffen haben. Also ist seine Devise: aus dem Nichtwissen heraus, nicht-dualistisch zu handeln.
Wie nahe wären sich heute Sokrates und Glasmann gewesen?

Ein Prinzip im Sokratischen Gespräch ist es, Schüler zur Selbsterkenntnis ihrer eigenen Unwissenheit zu führen und damit ihren Dogmatismus zu beenden. Damit wird der Schüler in eine Krise gestürzt und bekommt den "Boden unter den Füßen fortgezogen" - das ist genau die Technik, welche auch ZEN-Meister anwenden.

Ein entscheidender Satz von Leonard Nelson zur Praxis ist:
"Ist das Ziel der Erziehung vernünftige Selbstbestimmung, d.h. ein Zustand, in dem der Mensch sich nicht durch äußere Einwirkungen bestimmen läßt, vielmehr aus eigener Einsicht urteilt und handelt"
Es wäre schön, wenn endlich auch jeder Buddhist dies verstanden hätte, aber Buddha wollte es genau so. Buddha hat Menschen dazu gebracht, sich nicht von Göttern oder Priestern abhängig zu machen, sondern sie wieder zur Selbstbestimmung zu führen - genau das bezweckt auch der Sokratische Dialog.
Menschen sollen nicht mehr fremdbestimmt durch Gesellschaft, Religion, Familie sein, sondern wieder selbst die Verantwortung für ihr Tun übernehmen können - selbstverantwortlich handeln, das ist Buddhismus!

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